Ein Plädoyer für mehr Achtsamkeit und Unterstützung gegen Mobbing an Schulen

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Liebe Leserinnen und Leser,

in diesem Blogbeitrag möchte ich Ihnen von einer besonderen Begegnung erzählen, die mich dazu bewegt hat, über das Thema Mobbing und Gewalt an Schulen nachzudenken und wie wir als Gesellschaft gemeinsam dagegen vorgehen können.

Vor kurzem wurde ich von einem meiner Taekwondo-Schüler, nennen wir ihn „Assad“, um Rat bezüglich seiner Erfahrungen mit Mobbing und Gewalt an seiner Schule gebeten. Nach einem längeren Gespräch mit Assad und seinem älteren Bruder habe ich mich dazu entschieden, diesen Blogbeitrag zu verfassen, um meine Gedanken und Erfahrungen zum Thema zu teilen.

Assad: Ein vorbildlicher Taekwondo-Schüler

Assad ist schon seit längerer Zeit in einer meiner Taekwondo-Gruppen als Schüler angemeldet. Er nimmt regelmäßig am Unterricht teil, er kommt bis zu vier mal die Woche und ist immer pünktlich. Ich erlebe Assad als einen ruhigen, friedfertigen und zurückhaltenden Jugendlichen der sehr höflich und hilfsbereit ist, er ist aufmerksam, konzentriert, sehr geduldig und bedankt sich jedes mal wenn ich, oder andere Schüler, ihm Tips geben oder ihn korrigieren.

Des weiteren ist sehr schön anzusehen, wie er sich auf seine Mitschüler einstellt und sich besonders bei jüngere und/oder “schwächeren“ Kinder sehr Vorbildlich verhält.

Er hat noch nie die Emotionale-Kontrolle über sich verloren, sondern ganz im Gegenteil, er stellt sich und sein Ego immer hinten an und selbst beim Sparring, wo es wie man sich vorstellen kann, auch mal zu Kontrollverlust seiner eigen Emotionen kommen kann, hat er diese nicht einmal verloren. Selbst wenn es beim Unterricht dazu kommt das ein Übungspartner zu sehr “aufdreht“ bitte er diesen in Jugend üblicher Sprache, doch bitte zu “chillen“ und vorsichtiger und kontrollierter zu agieren. So wie ich Ihn kenne, bedarf es schon einer sehr hohen, auf Ihn einwirkenden, Intensität Ihn dazu zu provozieren sich körperlich zur Wehr zu setzten.

Kurzum: Assad ist ein Schüler wie ich ihn mir als Taekwondo Lehrer nur wünschen kann, ich habe bei Assad keinerlei Bedenken ihn zu unterrichten, da ganz klar ist das er das erlernte nicht missbraucht, sich immer deeskalierend verhalten wird und es ist ganz klar das er zu den Menschen gehört die nicht noch mehr Gewalt in der Welt verbreiten wollen.

Mir stellt sich daher eher die Frage, was musste im Vorfeld alles passieren das es zwischen Assad und anderen Mitschülern zu einer körperlichen Auseinandersetzung gekommen ist.

35 Jahre Erfahrung als Kampfkunst-Lehrer: Was ich über Mobbing und Gewalt an Schulen gelernt habe

In meiner langjährigen Tätigkeit als Kampfkunst-Lehrer für Kinder und Jugendliche, unter anderem auch an öffentlichen Schulen, konnte ich leider immer wieder feststellen, dass Schüler, die auf Mobbing bei sich oder anderen aufmerksam machen, oft einfach kein Gehör finden. Zudem werden Mobbing-Taten häufig nicht angemessen geahndet und es mangelt an Aufsichtspersonen, die speziell Mobbing-Täter*innen im Visier haben. Probleme zwischen Schülern werden ignoriert oder einfach unter den Teppich gekehrt, wo sie dann vor sich hin schwelen.

Leider musste ich immer wieder feststellen, dass Schüler, die bereits im Vorfeld auf Mobbing bei sich oder anderen aufmerksam gemacht haben, einfach kein Gehör finden. Nach körperlichen Auseinandersetzungen erfolgt häufig keine lückenlose Aufklärung, und in Fällen, in denen es zu körperlichen Eskalationen kommt, werden oft diejenigen bestraft, die sich lediglich gegen rechtswidrige Angriffe wehren und ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit wahren wollten.

Gerade ruhe bewahrende, zurückhaltende und friedliche Kinder leiden oft unter verbaler und körperlicher Gewalt in der Schule. Daher sollte es niemanden überraschen, wenn in Einzelfällen diese Kinder irgendwann die emotionale Kontrolle verlieren und sich möglicherweise sogar körperlich zur Wehr setzen.

Erfahrungen meiner Schüler*innen

Meine Schüler*innen vertrauen mir ihre Sorgen und Ängste an und fragen mich regelmäßig um Rat in verschiedenen Situationen. Als Kampfkunstlehrer rate ich ihnen stets, verbale Beleidigungen zu ignorieren und im Rahmen des § 32 StGB (Notwehr) zu handeln, wenn nötig. Doch leider funktionieren diese Strategien nicht immer, da die Aggressoren nicht aufhören und ihre Opfer weiterhin bedrängen.

Ich bekomme auch immer wieder mitgeteilt das ignorieren von verbaler Gewalt, Aufmerksamkeit, Flucht, also entfernen von Ort und die Bitte um Unterlassung oftmals nicht funktioniert da die Aggressoren einfach nicht aufhören, anstatt dessen Ihr Opfer weiter beleidigen, unterdrücken, erniedrigen, bedrohen, verfolgen, körperlich angehen, berauben und das fast immer in Überzahl und bei jüngeren.

Viele trauen sich nicht in ihrer Schule mit den Lehrkräften darüber zu sprechen aus Angst, vor weiteren Repressalien der Aggressoren, von Lehrkräften nicht nicht ernst genommen zu werden und sogar zu hören zu bekommen, “du bist aber auch selber Schuld“.
 Oftmals wird Ihnen keine Ausweg aufgezeigt oder gar Schutz geboten. Eine derart kafkaeske Situation wünscht man niemandem – erst recht nicht unseren Kindern!

Mögliche Lösungsansätze

Es ist höchste Zeit, dass wir als Gesellschaft neue Wege gehen, um Mobbing und Gewalt an Schulen auf ein Minimum zu reduzieren. Wir müssen unseren Kindern und Jugendlichen beibringen, wie sie sich in schwierigen Situationen verhalten sollen, und ihnen gleichzeitig den Rückhalt und die Unterstützung bieten, die sie für die Bewältigung ihrer Konflikte benötigen.

In diesem Sinne appelliere ich an alle, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten oder selbst Eltern sind: Bitte seien Sie achtsam und sensibel im Umgang mit Mobbing und Gewalt an Schulen!

Hören Sie den Betroffenen zu und unterstützen Sie sie dabei, ihre Probleme zu lösen. Nach körperlichen Auseinandersetzungen sollte immer eine lückenlose Aufklärung erfolgen, um den wahren Aggressor herauszufiltern und entsprechende Maßnahmen zu treffen. Leider passiert es oft, dass gerade diejenigen bestraft werden, die lediglich von ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit Gebrauch machen.

Spezielle Kurse für betroffene Schüler*innen und auch Fortbildungen von Lehr- und Sozialkräften, wären eine weiter Maßnahme. Um auch die Mobbing-Täter*innen einzubeziehen wären Kurse mit entsprechenden Rollenspielen eine Möglichkeit Ihnen aufzuzeigen was sie mit Ihren Mitmenschen veranstalten.

Ich hoffe, dass dieser Beitrag zum Nachdenken anregt und dazu beiträgt, das Bewusstsein für die Problematik von Mobbing und Gewalt an Schulen zu schärfen. Nur gemeinsam können wir eine positive Veränderung bewirken und unseren Kindern eine sichere und gewaltfreie Zukunft ermöglichen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Mit freundlichen Grüßen,

Mario Najorka
Taekwondo-Lehrer